In guten wie in schlechten Tagen

Wie ein Ehepaar trotz Demenz zusammenhält

Ein Mann schaut sich alte Fotos an.

Der Satz seiner Frau Renate traf Konrad Scholten* in Mark und Bein. Sie waren im Urlaub in den USA, fuhren gerade auf dem Highway, da fragte sie ihn: „Was machst du eigentlich beruflich?“


Die Diagnose Demenz war da schon einige Jahre her. „Aber am Anfang ist der Prozess ja schleichend“, sagt Scholten. „Es fing damit an, dass meine Frau kleinere Dinge vergaß, unwichtiges, vielleicht alle drei, vier Tage etwa.“ Aber eben schon so auffällig, dass Renate Scholten sich in der Uniklinik Düsseldorf untersuchen ließ. Die Diagnose Demenz sei damals dann auch kein Schock gewesen, weil vieles noch ging, erzählt Konrad Scholten. Bis Amerika.

Von  da an ging es dann rapider bergab. Den Haushalt führen kann Renate Scholten* schon seit einiger Zeit nicht mehr, das macht nun ihr Mann. Kochen, putzen, Wäsche waschen, bügeln. „Sie will zwar, und ich lasse sie auch helfen. Aber ehrlich gesagt, ist dann hinterher oft mehr zu tun als vorher.“  Hilfe aber will er sich nicht holen – noch nicht. Wenn er Hilfe beantrage, dann gebe es beispielsweise Termine zur Begutachtung durch den Medizinischen Dienst, so fürchtet er. Seine Frau wisse aber gar nicht mehr, dass sie Demenz habe. „Und warum sollte ich sie damit konfrontieren? Was soll das bringen? Ihr geht es ja ganz gut so. Sie fühlt sich gesund.“

Einmal in der Woche besucht Renate Scholten eine Betreuungsgruppe der Diakonie

Und ihm? Wie geht es ihm? „Es wäre schön geredet, wenn ich sagen würde, es geht mir so wie früher. Man ist nicht mehr so frei in dem, was man tun kann. Wenn ich meine Frau mal kurz alleine lasse, weiß ich nicht, was passiert. Im besten Fall fragt sie nur, wo ich denn war, obwohl ich ihr es direkt vorher gesagt und sogar noch auf einen Zettel geschrieben habe.“ Einmal in der Woche geht seine Frau zu einer Betreuungsgruppe der Diakonie, sie glaubt, es sei einfach eine Kaffeerunde. Dann hat Konrad Scholten mal wenige Stunden frei. Er räumt dann oft auf, weil es einfacher ist, das ohne Diskussionen mit seiner Frau zu machen. Und die Töchter wohnen auch in der Nähe, das ist natürlich eine wertvolle Unterstützung, wenn er mal etwas alleine erledigen muss.

 Da muss ich mich auch selber beobachten, dass ich nicht in eine überhebliche Rolle komme, dass ich nicht verbal was bringe, was nicht angemessen ist.

Konrad Scholten, pflegender Angehöriger


Der Alltag ist anstrengend. Aber noch schlimmer für ihn, dass seine Frau eine andere ist. „Sie war Lehrerin, eine tatkräftige, unternehmungslustige Frau, davon ist heute nichts mehr übrig geblieben. Sie hat keine Eigeninitiative mehr, wartet immer drauf, dass ich etwas vorschlage.“ Dieses „Nicht-mehr-auf-Augenhöhe-Sein“ belastet ihn sehr. „Da muss ich mich auch selber beobachten, dass ich nicht in eine überhebliche Rolle komme, dass ich nicht verbal was bringe, was nicht angemessen ist.“ Wenn Konrad Scholten sich eine Sache auf der Welt wünschen könnte, würde er sich ein Medikament wünschen, dass Alzheimer, „dieser blöden Krankheit“, den Garaus macht. „Aber ich weiß, dass ich das nicht mehr erleben werde.“

Rausgehen, Freunde treffen: Die Scholtens verstecken sich nicht

Und dennoch: „Wir gehen auch raus, treffen uns weiter mit Freunden. Wir verstecken uns nicht. Wir versuchen, unser normales Leben so lange wir möglich aufrechtzuerhalten.“ Da ist noch ganz schön viel „wir“ ins Konrad Scholtens Formulierungen. „Das ist doch klar. Als wir vor 49 Jahren geheiratet haben, haben wir uns versprochen, in guten wie in schlechten Tagen zusammenzuhalten. Wir hatten viele gute bis sehr gute Tage. Jetzt sind es ja auch nicht komplett schlechte, aber auch nicht mehr so gute. Das gehört eben mit dazu.“

Wenn Angehörige von Menschen mit Demenz Hilfe brauchen, gibt es viele Anlaufstellen, die mit konkreter  Beratung weiterhelfen. In Düsseldorf sind das zum Beispiel die „zentren plus“ an 32 Standorten in der ganzen Stadt. Diese bieten oft auch Betreuungsgruppen zur Entlastung pflegender Angehöriger an.