Kinder suchen Nähe

Kindertageseinrichtungen sind Orte, an denen Berührungen dazugehören – eigentlich. Aber wie sieht das im Alltag aus?

Erzieher tröstet ein Kita-Kind

Wir sprachen mit Bartosz Sladek und Elke Puecher, Erzieher und Erzieherin in der Evangelischen Tageseinrichtung für Kinder Fleher Straße der Diakonie Düsseldorf.

Frau Puecher, Herr  Sladek, Menschen berühren einander immer weniger, die Rede ist schon von der „unterkuschelten Generation“. Arbeiten sie auch mit unterkuschelten Kindern?

Puecher (lacht): Da merken wir nichts von. Kinder suchen immer Nähe.

Sladek: Deshalb vielleicht besser: In meiner Gruppe sind Kinder, die erst acht oder neun Monate alt sind. Die brauchen das noch mehr als ältere Kinder.

Und die geben sie dann auch?

Sladek: Das gehört dazu, ja. Natürlich können wir nicht ein Kind den ganzen Tag nur herumtragen. Es gibt ja auch noch andere. Aber sie brauchen es, getröstet zu werden, immer mal wieder auf den Arm zu kommen, gestreichelt zu werden. So baut sich ja auch eine Beziehung auf.

Puecher: In der Eingewöhnung ist das dann immer ein gutes Zeichen, wenn die Kinder sich auf den Kontakt einlassen. Wenn sie von sich aus auf uns zukommen und unsere Nähe suchen, sind dann auch die Eltern oft erleichtert – weil das auch ein Zeichen dafür ist, dass sie hier angekommen sind.

Erzieherin hilft einem kleinen Mädchen

Ist es für die Eltern nicht manchmal schwierig, wenn für sie fremde Personen einen so engen Körperkontakt zu ihren Kindern haben?

Puecher: Negative Rückmeldungen bekommen wir gar nicht. Die Eltern wissen ja auch, wie wichtig die Nähe für die Kinder ist. Und wir gehen sehr verantwortungsvoll mit damit um. Wir fragen die Kinder zum Beispiel, ob wir sie auf den Arm nehmen sollen oder ob sie auf den Schoß kommen wollen. Und das Wickeln ist ja eine sehr intime Situation – da versuchen wir möglichst, dass nicht dauernd andere Kinder hereinkommen, um ihre Intimsphäre zu schützen, und wir erklären jeden Schritt, den wir da machen, damit es für die Kinder möglichst angenehm ist. Und sie lernen dadurch auch, dass sie selbst entscheiden können, ob und wo sie angefasst werden möchten.

Sladek: Ich habe da auch noch nie etwas Negatives gehört. Die Eltern gehen auch mit mir nicht anders um, weil ich ein Mann bin. Ich erzähle neuen Eltern zwar auch immer gleich, dass ich selbst einen Sohn habe, aber selbst das ist gar nicht so entscheidend. Entscheidend ist, dass die Eltern Vertrauen zu einem haben.

Gibt es Situationen, wo die Berührung Ihnen als Erzieher*in unangenehm ist?

Puecher: Es gibt natürlich auch Stellen, da möchte ich selbst nicht berührt werden. Es gibt Kinder, die lange gestillt worden sind, die greifen, wenn sie aufgeregt sind, ganz automatisch ins T-Shirt der Erzieherin. Dann kann man das sanft lösen und sagen: „Du kannst  gerne mit mir kuscheln, aber das möchte ich nicht.“ Und im Gesicht herumgewuschelt bekommen, das mag ich auch nicht.

Sladek: Das zum Beispiel finde ich nicht so schlimm. Für mich möchte ich das nicht, wenn mich Kinder auf den Mund küssen wollen, das finde ich unpassend. Aber auch das kann man erklären, und das verstehen auch schon sehr kleine Kinder.

Puecher: Und man muss genau hinschauen: Natürlich gibt es Kinder, die mehr körperliche Nähe brauchen und welche, die das nicht so brauchen. Es gibt aber auch Kinder, die Verhaltensweisen zeigen, die über das normale Maß hinausgehen. Wenn sie zum Beispiel überhaupt nicht mehr loslassen, dann kann da auch was anderes hinter stecken, da reden wir dann auch mit den Eltern. Oder wenn sie bei für sie fremden Menschen, etwa neuen Praktikantinnen oder Praktikanten, sofort auf den Schoß krabbeln, also sehr schnell distanzlos sind, dann schauen wir da genauer hin. Aber die allermeisten Kinder sind einfach Kinder – und für die ist körperliche Zuwendung existenziell.

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