An einem ganz normalen Morgen vor sieben Jahren klagt Iris Arnold plötzlich über Schmerzen im linken Arm und in der Brust. Sie fühlt sich unwohl. Obwohl Iris Arnold examinierte Altenpflegerin mit einigem medizinischem Wissen ist, misst sie ihren Symptomen keine allzu große Bedeutung bei. Sie nimmt eine Schmerztablette und legt sich wieder ins Bett, um sich erstmal auszuruhen.
Ihr Mann Jörn ist zuhause und schaut ab und zu nach ihr. „Ich hatte zwar sofort im Kopf, dass das doch auch Vorzeichen eines Herzinfarkts sein könnten, und sagte ihr das auch. Aber ich dachte auch, dass sie dies wegen ihres Berufs selbst besser einschätzen könnte als ich“, erzählt er heute.
Die Notärzte ringen um das Leben seiner Frau
Als er wieder einmal nach seiner Frau sieht, hat sie bereits einen Krampfanfall. Ihr Gehirn wird wegen des Herzinfarkts nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Arnold alarmiert sofort den Notarzt, der schnell zur Stelle ist, seine Frau aber bereits reanimieren muss. Und das nicht nur einmal, sondern achtmal. Erst danach fängt Iris Arnolds Herz wieder an zu schlagen. Unter Schock sitzt währenddessen ihr Ehemann in der Küche und muss mitansehen, wie die Notärzte um das Leben seiner Frau kämpfen: „Ich saß da ganz alleine, fast wie unsichtbar, und hätte in dieser Situation selbst Hilfe gebrauchen können“, so Arnold weiter. Er begleitet seine Frau ins Krankenhaus. Dort wird schnell klar, dass der lange Sauerstoffmangel Schäden in Iris Arnolds Gehirn verursacht hat. Die Ärzte informieren Jörn Arnold darüber, dass sie damit rechnen, dass seine Ehefrau wohl nicht mehr „aufwachen“ wird. Iris Arnold ist zu diesem Zeitpunkt Anfang vierzig – bis zu ihrer Krankenhauseinlieferung ist sie eine lebenslustige Frau, die gerne gemeinsam mit ihrem Mann in sonnige Gefilde in den Urlaub fliegt, ein Faible fürs Schnorcheln hat und bei einem Düsseldorfer Darts-Verein Team-Kapitänin ist.
Ich bin nicht der Typ, um über meine Probleme zu reden
Nach fünf Monaten Frühreha kommt sie in die Intensivpflege-Station im Joachim-Neander-Haus der Diakonie als eine von 20 Bewohner*innen mit Intensivpflegebedarf. Ihr Mann bleibt an ihrer Seite. Er wird vom Betreuungsgericht als ihr gesetzlicher Betreuer eingesetzt und kümmert sich fortan um ihr Wohlbefinden. Am Anfang steht er täglich 5 bis 6 Stunden am Bett seiner Frau. Irgendwann rauben ihm die Sorgen den Schlaf, er fällt in ein seelisches Tief. Sein Hausarzt verschreibt im Schlaftabletten und rät ihm, auch mal einen Tag zuhause zu bleiben und etwas für sich selbst zu tun. Auch zu einer therapeutischen Begleitung rät er ihm: „Ich bin nicht der Typ, um über meine Probleme zu reden“, sagt Arnold von sich. Halt geben ihm jedoch Freunde und Verwandte. Nach seinen Erfahrungen ist er davon überzeugt: „Eigentlich brauchen Angehörige von Wachkoma- Patient*innen genauso viel Hilfe wie der oder die Patient*in selbst.“
Mit Tatkraft gegen die Hilflosigkeit
Seine anfängliche Unsicherheit und Hilflosigkeit bekämpft Jörn Arnold mit Tatkraft. Er recherchiert viel zum Thema Wachkoma, spricht mit Ärzt*innen, Therapeut*innen und Pfleger*innen. Er übernimmt einige pflegerische Tätigkeiten, wenn er seine Frau besucht – denn sie verbinden ihn mir ihr auf ganz eigene Weise. Jörn Arnold ist mittlerweile auch Experte in Sachen Kommunikation mit seiner Frau: „Ich kann an ihren Bewegungen und Lauten erkennen, wie es ihr geht, wenn sie sich eine Veränderung ihrer Lage wünscht oder ihr Bauch schmerzt.“
Weil seine Frau die Sonne so liebt, packt er sie, wann immer es das Wetter zulässt, in einen speziellen Rollstuhl und genießt draußen
schöne Wetter mit ihr. Und auch sonst berichtet er ihr bei jedem Besuch von seinem Tag auf der Arbeit und was sonst so alles passiert ist.Jörn Arnold gönnt sich nun aber auch mal freie Tage, um mit Freunden Fußball zu schauen oder eine Radtour zu machen. Sogar eine Woche Urlaub plant er jetzt regelmäßig. Dafür schaut er immer, dass jemand in der Zeit seiner Abwesenheit für seine Frau da ist.
„Ich lebe, seitdem meine Frau im Wachkoma liegt, viel bewusster als vorher. Ich bin dankbar für mein Leben und viel geerdeter. Ich nehme mein Leben so an, wie es eben ist“, sagt er am Ende des Gesprächs und fügt hinzu: „Ich rate allen Menschen, sich schnellstmöglich um eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung zu kümmern – das ist so wichtig.“
Zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht berät auch unser Betreuungsverein