Das Wahlpflichtfach im Medizin-Studium

In Düsseldorf begleiten Studierende Geflüchtete zum Arzt 

Ein Student begleitet eine junge Frau aus Syrien zum Arzt

Für viele Menschen, die neu zugezogen sind, ist das Gesundheitssystem in Deutschland eine große Herausforderung. So gut es auch im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist: Es ist anders als im Heimatland. In Düsseldorf begleiten Studierende der Heinrich-Heine-Universität Geflüchtete deshalb zum Arzt  – wir geben  Einblick  in ein Projekt, das bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

Krebskrank, fünf Kinder zwischen drei und elf Jahren, neu in einem fremden Land: Als Amina Deeb vor vier Jahren nach Düsseldorf kam, stand ihr ganzes Leben auf der Kippe. Aber die Flucht nach Deutschland war ihre einzige Hoffnung: darauf, dass man hier bessere Möglichkeiten hätte, den Krebs zu bekämpfen; darauf, dass sie nicht von ihren Kindern getrennt würde, wie das wohl in ihrem Heimatland Libanon passiert wäre.


Beide Hoffnungen haben sich erfüllt. Amina Deeb kann in Düsseldorf ambulant behandelt werden, ihre Kinder sind mittlerweile alle in der Schule. So kann sie weiterhin mit ihren fünf Töchtern zusammenwohnen. Ihre Krebserkrankung ist zwar nach derzeitigem Stand nicht heilbar, aber sie kann bekämpft werden. Amina Deeb strahlt –  trotz ihres Schicksals. Dass sie das kann, hat sie zu einem großem Teil der Medizinischen Hilfe für Flüchtlinge, kurz Medidus, zu verdanken, einer Initiative der Fachschaft Medizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

In manchen Herkunftsländern wird über den Körper nicht geprochen

Long Tang

Der Kern des Projekts: Medizinstudentinnen und -studenten begleiten geflüchtete Menschen bei Arztbesuchen – seltener alleine, wenn sie selbst die Sprache der geflüchteten Menschen sprechen – öfter zusammen mit Ehrenamtlichen, die dolmetschen. Für die Ärztinnen und Ärzte ist das manchmal etwas ungewohnt, wenn gleich drei Menschen zum Termin auftauchen. Aber so gibt es eine Chance, dass die Patientin oder der Patient auch versteht, was von ärztlicher Seite gesagt wird, und umgekehrt, dass die Ärztin oder der Arzt auch versteht, welche Krankheitsgeschichte und welche Beschwerden es gibt.

Wenn man im Libanon nicht viel Geld hat, geht man ins Krankenhaus

Für viele Menschen, die neu in Deutschland sind, ist das Gesundheitssystem in Deutschland eine große Herausforderung. So gut es auch im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist: Es ist anders als im Heimatland. Und es ist kompliziert. „Eine Gesundheitskarte oder ein Hausarztsystem gibt es im Libanon zum Beispiel nicht“, erklärt Thaer Aburamsah. Der Medizinstudent, der selbst vor acht Jahren aus Syrien nach Deutschland kam und deshalb fließend arabisch spricht, steht kurz vor dem Staatsexamen und begleitet abwechselnd mit anderen Studentinnen und Studenten Amina Deeb zu ihren Terminen. „Wenn man  im Libanon oder in Syrien nicht viel Geld hat, geht man ins Krankenhaus, das ist die einzige Chance auf eine bezahlbare oder kostenlose Behandlung.“


Aus diesem Grund heraus sei Medidus entstanden, erklärt Long Tang vom Koordinationsteam der Medizinischen Hilfe für Flüchtlinge. „Die Notaufnahme der Uni-Klinik war 2015 oft völlig überfüllt. Viele geflüchtete Menschen kamen dorthin, auch wenn sie vielleicht nur etwas Harmloses wie eine Erkältung hatten. Sie wussten einfach nicht, dass man hier damit erst einmal zum Hausarzt geht. Da haben wir gemerkt, dass wir was tun müssen.“

Medidus bietet auch selbst Sprechstunden an

Neben den konkreten Begleitungen zum Hausarzt oder zur Fachärztin bietet Medidus mittlerweile auch Sprechstunden an, in denen sich Menschen beispielweise Arztbriefe erklären lassen können. „Da haben ja schon viele Muttersprachler Probleme, die zu verstehen“, sagt Long Tang. Ärztlich beraten dürften die Studentinnen und Studenten zwar noch nicht, die medizinischen Fachbegriffe übersetzen und einordnen aber schon. 
Auch Präventionsprojekte in den städtischen Unterkünften für geflüchtete Menschen haben die Studierenden schon angeboten, Hygieneschulungen zum Beispiel. Das sei besonders wichtig in den Zeiten gewesen, wo die Menschen noch in Sporthallen und anderen provisorischen Unterkünften untergebracht waren. Auch überhaupt ein Krankheitsbewusstsein zu entwickeln, sei für viele Menschen nicht selbstverständlich. „In machen Herkunftsländern wird über den menschlichen Körper nicht gesprochen“, berichtet Long Tang. „Da können wir dann geschützte Umgebungen schaffen, wo zum Beispiel Frauen unter sich darüber reden können.“


All diese Arbeit geschieht ehrenamtlich, ist aber mittlerweile auch mit dem Lehrangebot an der Fakultät vernetzt. So können angehende Medizinerinnen und Mediziner die medizinische Hilfe als Wahlpflichtfach wählen – drei Begleitungen geflüchteter Menschen zum Arzt gehören dann obligatorisch dazu. Das Fach wird in Kooperation mit Mitarbeitenden der Diakonie angeboten, die interkulturelle Kompetenzen vermitteln oder Informationen zur sozialen Lage von geflüchteten Menschen geben. Weitere Wahlpflichtfächer wie „Arabisch für Mediziner“ und die „Gesundheitsakte für ausländische Mitbürger“ ergänzen das Lehr-Programm. Diese beiden Angebote hat Thaer Aburamsah führend mitentwickelt. Er leitet viele Seminare auch selbst.

Wenn es die Medizinische Hilfe nicht gäbe, wäre ich wohl nicht bei meinen Kindern

Amina Deeb

Das Engagement der Studierenden ist so überzeugend, dass die Universität volle Unterstützung gibt, die Angebote in den Lehrplan zu integrieren. „Diese Strukturen helfen uns, unser Projekt langfristig zu etablieren“, sagt Long Tang. „Darum versuchen wir auch immer, neue Studentinnen und Studenten ins Koordinationsteam zu bekommen. Derzeit haben wir 15 Mitglieder in unserem Koordinationsteam, damit sich diese Arbeit auf vielen Schultern verteilt“, sagt Long Tang.


Kontakt zu den Geflüchteten bekommen die Studierenden meistens über die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Unterkünften. Auch Amina Deeb kam so in Kontakt mit Medidus. „Die Mitarbeiterin der Diakonie hat erkannt, dass ich Hilfe brauchte, und mich dahin vermittelt.“  Alle drei Wochen muss sie zur Therapie in die Uni-Klinik, und jedes Mal ist eine Studentin oder ein Student dabei. In einer Chat-Gruppe kann Amina Deeb immer Fragen stellen, wenn sie Hilfe braucht, oder die Studierenden erinnern sie an wichtige Arzttermine. Sie weiß genau, was diese Hilfe für sie bedeutet: „Wenn es die Medizinische Hilfe für Flüchtlinge nicht gäbe, wäre ich wohl nicht mehr bei meinen Kindern.“

Zunächst tatsächlich etwas unüberlegt! Kurz danach – nach genauerem Überlegen – wurde deutlich, dass wir mit 20 Masken nicht weit kommen. Denn wenn die Kinder uns ins Gesicht fassen, bzw. der Mindestabstand in unserer Arbeit nicht eingehalten werden kann, müssen die Masken regelmäßig gewechselt werden. Grob überschlagen benötigte ich somit knapp 100 Masken für mein Team! Es hat mich sehr bewegt, wie viele Menschen, bereitwillig Zeit, Geld und Engagement zur Verfügung stellten, um uns innerhalb weniger Tag über 100 Masken – kostenfrei – zuzusenden.