Der friedliche Boxer

Wie Werner Kreiskott die Welt ein bisschen besser macht

Auf die Brust hat er „Born to fight“ tätowiert, er war Kickbox- und Boxweltmeister, organisiert „Fight Nights“ und betreibt den „Fight Club“ in Wuppertal. Werner Kreiskott lebt vom Kämpfen – und trägt doch auf seine Art dazu bei, dass die Welt etwas besser wird. 

 

Fotos: Gerald Biebersdorf

Das Kämpfen ist Werner Kreiskott in vielerlei Hinsicht gewöhnt – im Ring und außerhalb. Das fing schon zu Schulzeiten an, nachdem er von der Schule geflogen war und darum kämpfte, woanders seinen Abschluss machen zu können. Als er nach seiner Verkäuferlehre erst als Türsteher arbeitete und sich dann hocharbeitete, sich mit Kampfsport einen Namen machte und schließlich seinen eigenen Boxclub eröffnete. Und doch in die falschen Kreise geriet, vor Gericht und sogar im Gefängnis landete. Aber Kreiskott kämpfte sich mit Hilfe seiner damaligen Freundin und heutigen Frau durch, behielt seinen Club, wurde sogar Boxweltmeister eines kleineren Verbandes und regional erfolgreicher Box-Veranstalter.

Das alles hat er schon oft erzählt. Dass er etwas zum Thema Frieden sagen soll, ist neu. Aber Kampfsport und Frieden, sagt Kreiskott nach kurzem Überlegen – das schließe sich überhaupt nicht aus. „Im Ring hasst man sich nicht. Mit vielen der Männer, gegen die ich gekämpft habe, bin ich heute noch befreundet.“ Am Ende sei Boxen eben ein Sport, ein Sport, in dem man sich mit Respekt begegne.

Respekt – ein Begriff, den Werner Kreiskott häufig nennt. Respekt sei auch das Erste, was seine Schüler*innen in der Kampfsportschule lernten. „Nur so geht das“, sagt er. Schließlich trainierten Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus vielen Nationen bei ihm. „Diskussionen über Politik und Religion sind deshalb in der Halle verboten“, sagt er. „Das gäbe nur Stress.“ Ohnehin sei es egal für ihn, woher die Leute kommen, wer sie seien, was sie vorweisen könnten. Hier gehe es ums Boxen, sonst um nichts. Deshalb bekommen auch alle einen Spitznamen von ihm. „Ganz praktisch, ich kann mir eh keine Namen merken“, sagt der Boxlehrer und grinst. 

Wobei – eigentlich geht es doch um mehr als nur um den Sport. Und vielleicht geht es auch gerade deshalb um mehr, weil vor Kreiskott alle gleich sind. Es begegnen sich bei ihm Menschen, die sonst wahrscheinlich nie zusammenkämen. Eltern schicken ihre Kinder, die unter Mobbing leiden, in den Fight Club. Auf der anderen Seite kommen auch Jugendliche in die Boxschule, die Probleme mit Disziplin haben, schon straffällig geworden sind und auch gewalttätig gegen andere. Die einen bekommen mehr Selbstbewusstsein und strahlen das auch aus, die anderen können ihre Energie rauslassen und lernen, dass es beim Kämpfen Regeln gibt. Und manchmal essen die einen nach einiger Zeit mit den anderen einen Döner.

Besonders für die „schwer erziehbaren Jungs“ ist Werner Kreiskott eine Respektperson. Für manche möglicherweise die einzige in ihrem Leben, die sie wirklich anerkennen. Vielleicht wegen seines imposanten Äußeren. Vielleicht, weil er das verkörpert, wo sie gerne hinwollen. Und dann ist es umso eindrucksvoller, wenn er ihnen von den Brüchen in seinem Leben erzählt. Dass er eine Zeit lang auf die falschen Freunde gesetzt hat und deswegen im Knast gesessen hat, zum Beispiel. Und dass das gar nicht cool war. Dass er nachts manchmal geweint hat in seiner Zelle. Weil er am Boden zerstört war, gefangen, weil er nicht handeln konnte, wie er wollte. Weil er Angst hatte, alles, was er sich aufgebaut hatte, zu verlieren, den Fight Club und am Ende auch seine Frau, mit der er die gemeinsame Zukunft geplant hatte.

Wenn er das erzählt, machen die harten Jungs immer große Augen. Aber es wirkt. Genauso wie es wirkt, wenn er den Jungen, der beim Ladendiebstahl erwischt wurde, erst einmal nicht mittrainieren lässt. Aber ihn eben nicht nach Hause schickt, sondern mit ihm redet. „Ich versuche ihnen klarzumachen, dass das Leben wie ein Hausbau ist. Wenn du schon in der Schulzeit, beim Fundament, Scheiße baust, wackelt später das ganze Haus.“

Wenn die Jugendlichen das jemandem glauben, dann ihm. Wenn die Jugendlichen das jemandem glauben, dann ihm. Richtig sauer wird Kreiskott, wenn er erfährt, dass Jugendliche, die bei ihm trainieren, andere mobben. „Gewalt gegen Schwächere hasse ich wie die Pest, sagt er. Manchmal helfe da nur, die Mobber in den Ring zu schicken, mit Sparringspartnern, die stärker sind als sie. „Ja, das ist die harte Tour, wenn sie da eins auf die Mappe bekommen“, sagt Werner Kreiskott. „Aber wenn sie sich dann anschließend beschweren, sage ich ihnen: Jetzt weißt du, wie sich die fühlen, die du mobbst.“

Beim letzten Mal habe ihn die Lehrerin eines Jungen wenig später angerufen und erzählt, dass ihr Schüler wie ausgewechselt war. Es habe anscheinend gewirkt, freut sich Kreiskott. Nein, er sei sicher kein Sozialarbeiter, sagt der Kampfsportler. Oder vielleicht doch, aber eben auf eine andere Art. Und dann erzählt er noch von dem 14-jährigen Jungen, mit dem er in einer Pause redete, fragte, wie es ihm geht, was er denn so mache. Und der ihm nach wenigen Minuten gestand: „So lange hat mir noch niemand im Leben zugehört.“ Das war dann selbst für den Kämpfer Werner Kreiskott hart zu ertragen.

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