Im Arnold-Overzier-Haus in Köln ist eine Roboterrobbe zum Kuscheln im Einsatz, im Dorothee-Sölle-Haus der Diakonie in Düsseldorf dreht ein humanoider Roboter seine Runden. Körperlichen Kontakt können sie nicht ersetzen – aber dabei helfen, dass ältere Menschen sich besser fühlen.
Sie hat einen Augenaufschlag drauf, der auch die härtesten Männerherzen zum Schmelzen bringt. Der silbergraue Kopf richtet sich vorsichtig auf, Rosi gibt ein leichtes Quieken von sich und spätestens wenn die schwarzen Augen mit den langen Wimpern aufklappen wird klar, warum Rosi Rosi heißt und nicht – sagen wir einmal – Karl-Heinz. Rosi ist der heimliche Star im Arnold-Overzier-Haus der Awo in der Kölner Südstadt. Fast alle finden sie toll, auch die Männer im Pflegeheim. Für Leiterin Elisabeth Römisch, die sich für die Anschaffung der Robbe beim Förderverein stark gemacht hat, kam dieser Zuspruch von männlicher Seite anfangs eher unerwartet. Aber Kuscheln ist eben nicht nur Frauensache.
Rosi ist ein Roboter in Robbenform. Ein Stofftier mit Festplatte im flauschigen Bauch, das die Bewohnerinnen und Bewohner kraulen können, ohne dass es die Geduld verliert. Rosi, deren Werksname Paro lautet, ist eine der wenigen künstlichen Intelligenzen, die es bisher in der Pflege gibt. Künstliche Intelligenz, das meint: Ausgestattet mit Sensoren an Bauch, Rücken oder den filigranen Barthaaren, die jede Reaktion registrieren, lernt Rosi jeden Tag dazu: Sie kann Stimmen erkennen, und reagiert verhalten, wenn sie einen Menschen zum ersten Mal trifft und lebhafter, wenn ein Mensch sie schon öfter auf dem Schoß hatte. Sie spürt, ob ein Mensch sie sanft streichelt oder grob behandelt und reagiert entsprechend anhänglich oder abweisend. Und sie hat im Arnold-Overzier-Haus gelernt, dass es Schlafenszeit ist, wenn das Licht ausgeht. Dann klappt Rosi ihre großen schwarzen Augen bis zum nächsten Morgen zu.
„Ich weiß, dass Du nicht echt bist, aber das ist mir egal.“
Was ein Roboter können sollte und was besser nicht, prägt derzeit die öffentliche Debatte. Einem Menschen zu suggerieren, es handele sich bei einem Roboter um ein echtes Lebewesen, gehört eher in die zweite Kategorie. Aber tut Rosi das? Macht sie den Menschen etwas vor? Römisch, sagt: „Nein“, den Seniorinnen und Senioren im Overzier-Haus sei durchaus bewusst, dass es sich bei Rosi um eine Künstliche Intelligenz handelt. Aber viele ließen sich gerne auf das Spiel ein. Römisch zitiert dazu eine Bewohnerin, die der Robbe ins Ohr flüsterte: „Ich weiß, dass Du nicht echt bist, aber das ist mir egal.“
„Und auch wenn es so wäre? Was spricht dagegen?“, sagt Haptikforscher Martin Grunwald, Autor des Buches „Homo hapticus: Warum wir ohne Tastsinn nicht leben können“. Grunwald ist überzeugt: „Wenn Menschen ein gewisses Maß an Berührung nicht bekommen, fehlt ihnen etwas.“ Gerade ältere Menschen hätten ein großes Bedürfnis nach Körperkontakt, drückten Pflegekräfte im Flur an sich, wollten Hände gar nicht mehr loslassen, streichelten über Handrücken. Für Grunwald ist das eine Entwicklung, die das Alter mit sich bringt: Die Partnerin oder der Partner ist vielleicht bereits gestorben, Kinder, die einen kräftig drücken können, leben weit weg. Die Kuschelrobbe hat für ihn deshalb durchaus Potenzial. „Was Berührungsreize angeht, sind wir ziemlich robust konstruiert – auch eine Kuschelrobbe kann positive Emotionen in uns wecken“, sagt Grunwald. Ersetzen kann die Robbe den Menschen seiner Meinung nach allerdings nicht. „Der zwischenmenschliche Kontakt regt einfach ein deutlich größeres sensorisches Spektrum an als ein Roboter.“
Ersetzen will auch Römisch den Menschen durch die Robbe nicht. Tatsächlich sei sie am Anfang sehr skeptisch gewesen, ob sie Rosi überhaupt anschaffen sollte. „Aber nachdem ich sie im Einsatz gesehen habe, hat sich das geändert.“ Für sie zählt nur eines: „Rosi wirkt beruhigend auf die Bewohnerinnen und Bewohner. Vielen geht es besser, wenn sie sie streicheln können.“ Regeln für den Einsatz der Robbe gibt es dennoch: Ist sie unterwegs – dann immer gemeinsam mit einer Kraft vom Sozialen Dienst. Und wer keine Lust hat, muss nicht mitmachen. Schließlich, das sagt auch Grunwald, ist nicht jeder Mensch gleich kuschelbedürftig. „Da ist der Bedarf sehr unterschiedlich.“