Ein Gastbeitrag von Marlene Engelhorn
Geld kennt im echten Leben zwei relevante Kategorien: Haben oder Nicht-Haben. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte stellt im ersten Artikel fest: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“
Schauen wir uns in der echten Welt um, zeichnet sich allerdings folgendes Bild. In Deutschland besitzt ein Prozent der Bevölkerung laut DIW und DGB 35 Prozent des Vermögens, die reichsten zehn Prozent besitzen zusammen sogar 65 Prozent, während die Hälfte der Menschen sich keine drei Prozent teilt oder Schulden hat. Unvorstellbar? Spielen wir das Kuchenspiel. In Deutschland wird ein Kuchen unter zehn Personen so aufgeteilt: Ein Mensch bekommt sechseinhalb Stück Kuchen, fünf Menschen bekommen ein paar Krümel. Die Ungleichheit ist nicht nur unbestreitbar, sie ist auch absurd. Aber ist sie ein Problem?
Diese Frage so zu stellen, zeigt klar, wer das Sagen hat. Wer sich überlegt, ob eine große Portion Kuchen oder kein Kuchen die bessere Wahl ist, wird dennoch zugeben müssen: Essen ist besser als nicht essen. Und Krümel sparen macht keinen Kuchen.
Eine Frage fehlt oft: Wo kommt das Geld her? Und: Ist es Einkommen oder Vermögen? In unserem System arbeiten viele Menschen gemeinsam am Wohlstand der Gesellschaft. Aber nur wenige werden gut dafür bezahlt. Einen logischen Grund für dieses Ungleichgewicht gibt es nicht. Zum Glück, sonst müssten wir uns der Unausweichlichkeit eines ungerechten Systems beugen, nur weil es logisch schlüssig ist. Es ist eher so: Menschen mit großen Vermögen haben auch große Macht. Sie haben den Zugang zu Politik, Wirtschaft und Medien. Diesen Einfluss muss man sich leisten können und das tun viele. Das Ergebnis nennt sich Lobbyarbeit, sie ist sehr teuer und aus Prinzip nicht im Interesse aller. Eigentlich sind wir aber in einer Demokratie. Alle Interessen sollten die gleichen Chancen haben, im Parlament und bei der Gesetzgebung berücksichtigt zu werden. Es darf keine Frage des Geldbeutels sein.
Leider garantiert Arbeit kein Vermögen, sie sichert bestenfalls ein Einkommen und auch das hat sich nicht unbedingt rosig entwickelt. Wenn die Primärverteilung des arbeitsteilig erwirtschafteten Wohlstands schiefgeht, also wenn ein paar Menschen ganz viele andere schlecht bezahlen und sich selbst viel in die Taschen stopfen. Dann kann die Gesellschaft ein demokratisches Mittel der Umverteilung nutzen: Steuern.
Jedes Mal, wenn Geld von einer Hand in die nächste wandert, fallen Steuern an. Na ja, fast. Denn das Aufkommen der gesamten Vermögensbesteuerung ist laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung in Deutschland seit Jahren rückläufig.
Je mehr Vermögen ein Mensch hat, umso weniger muss er teilen.
Gleichzeitig werden ab einem Jahreseinkommen von 9.984 Euro 14 Prozent Steuern fällig. Während also Erb*innen, die einfach nur Glück in der Geburtenlotterie hatten, einen substanziellen Startvorteil bekommen, der erst ab 400.000 Euro steuerpflichtig wird, kommen bei den Menschen, die im Jahr etwas mehr als 9.984 Euro durch Arbeit verdienen, von jedem weiteren Euro nur 86 Cent an. Die Erbschaftssteuer ist außerdem ein Käse voller Löcher, sonst ließe sich nicht erklären, dass von geschätzten 400 Milliarden keine zehn Prozent den
Weg in die öffentlichen Kassen finden.
All das ist bekannt und trotzdem ist das Steuersystem ungerecht gestaltet. Viele vergessen vor lauter Steuerstress auch, dass dieses System eigentlich für die Verteilung des Wohlstands innerhalb einer Gesellschaft verantwortlich ist. Bei der Primärverteilung durch Gehälter wird nicht unbedingt fair gezahlt, aber das kann die Steuerpolitik im Namen der Gesellschaft korrigieren. Das gute Leben für alle lässt sich durch geschicktes Steuern der Wohlstandsentwicklung erreichen. Steuerrecht ist Recht, es fußt auf Gesetzen und die lassen sich ändern. Und das fordert taxmenow, konkret: die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Abschaffung der Ausnahmeregeln bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, eine progressive Besteuerung von Kapitalerträgen und eine bessere Ausstattung der Behörden zur Ahndung von Steuerverbrechen. Die Frage lautet nicht wirklich, ob das möglich ist oder nicht. Es ist vielmehr eine Frage des politischen Willens.