Mit dem Schlauchboot über das Meer

Ismail Ibrahim möchte sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen

Ein Student begleitet eine junge Frau aus Syrien zum Arzt

Mit kaum mehr als fünf Tafeln Schokolade im Gepäck machte sich Ismail Ibrahim auf den gefährlichen Weg nach Deutschland. In seine Heimat Syrien zurückzukehren, kann er sich nicht vorstellen.

Das Schlauchboot liegt in seiner Hand. Ismail Ibrahim steuert es mitsamt 20 Menschen von der türkischen Küste bis zu einer der griechischen Inseln. Er ist kein erfahrener Seemann, die Wahl fällt auf ihn, weil der 23-Jährige als Fotograf Bilder beim Wassersport gemacht hat. Das war vor dem Krieg in Syrien. 45 Minuten lang trägt er die Verantwortung über das Leben seiner Eltern, der beiden Schwestern und einer Gruppe von Männern, Frauen und Kindern, die er nicht kennt. Ismail hat ein kurzes, wackeliges Video von der Überfahrt auf seinem Handy. Die Küste ist in Sicht, es ist fast geschafft. Die Erwachsenen sitzen außen auf dem Rand, die Kinder, teilweise noch Babys, dicht gedrängt in der Mitte. Einige weinen, die anderen haben ernste Gesichter. Sie alle sind von Todesangst gezeichnet.

Die ersten 30 Minuten waren wirklich gefährlich.

Ramin Zandina

 

„Die ersten 30 Minuten waren wirklich gefährlich“, sagt er und lächelt. Er strahlt Optimismus aus. Irgendwann sei dann die griechische Küstenwache gekommen und habe ihr Boot bis zum Ufer begleitet. Das habe ihn sehr erleichtert. Die Flucht aus der nordsyrischen Stadt Kamishli kommt dem jungen Mann heute vor wie ein schlechter Traum. Er erinnert sich nicht so gerne an diese sechs Tage, in denen niemand von ihnen geschlafen hat. In denen sie nichts dabei hatten außer der Kleidung, die sie am Körper trugen, etwas Wasser und fünf Tafeln Schokolade. Boot, Bus, Zug, zu Fuß, Bus, Zug, Bus. Wie Tiere seien sie in Kroatien vom Militär behandelt worden. Auch geschlagen. Die Männer saßen und standen in den Zügen auf dem Gang, die Frauen und Kinder quetschten sich in den Abteilen. Seine kleine Schwester habe die ganze Zeit kein einziges Wort gesprochen. Die Familie bleibt zusammen, das sei für sie das wichtigste damals gewesen. Das haben sie geschafft bis nach Düsseldorf.

Mit der Ausbildung zum Firnesstrainer ist ein Traum in Erfüülung gegangen

Drei Jahre später leben sie getrennt. Ismail Ibrahim wohnt in einer kleinen Wohnung am Worringer Platz. Die Familie hat eine Bleibe in Duisburg. Zu sich einladen möchte er den Vater, die Mutter und die Schwestern auch nicht, er findet sein Zimmer zu schäbig. Aber das wird sich ändern, da ist er sich sicher. Ismail Ibrahim ist Fitnesstrainer. Das heißt, er macht gerade eine Ausbildung zum Sport- und Gesundheitstrainer in einem Studio an der Grafenberger Allee. Damit geht für ihn ein guter Traum in Erfüllung, von dem er gerne erzählt. Schon immer habe er das machen wollen. Wie sein Vater und sein Onkel. Geräte, Freihanteln, Ernährungspläne. „Ich habe zuerst sechs Monate ein Praktikum in dem Fitnessclub gemacht und dann ein Jahr nach einem Ausbildungsplatz gesucht. Und den habe ich jetzt“, berichtet er. Seine Zukunft liege in Deutschland. Weder in Syrien noch in der Türkei, aus der sein Opa stamme, habe er so gute Chancen.