Natascha Zippro arbeitet seit über 4 Jahren in der Gefangenenfürsorge der Diakonie. Sie ist eine fröhliche und zugewandte Person. Wenn man sie erlebt, kann man sofort verstehen, weshalb Gefangene so schnell Zutrauen zu ihr fassen. Sie geht auf Augenhöhe mit den Gefangenen um. „Ich habe eine andere Aufgabe als der Sozialdienst der JVA. Dort entscheidet man zum Beispiel über Hafturlaub oder die Verlegung in den offenen Vollzug und trifft deshalb manchmal auch Entscheidungen, die für die Gefangenen schwer zu akzeptieren sind“, erzählt sie. Sie hingegen sei dafür da, den Gefangenen beispielsweise durch haftbegleitende Gespräche beizustehen und ihnen zu helfen.
In diesen Gesprächen können die Insassen ihre Einsamkeit, ihre Verzweiflung und auch ihre Trauer herauslassen. Dabei haben sie die Sicherheit, dass Natascha Zippro alles, was sie sagen, vertraulich behandelt. Und sie versucht, gemeinsam mit den Inhaftierten Wege zu finden, wie diese besser mit ihrer Situation umgehen können. Auch hilft sie weiter, wenn es Probleme oder gar Krisen mit Angehörigen gibt. Als ein Gefangener beispielsweise seiner Frau einmal aus Ärger einen bösen Brief schicken wollte, war sie es, die ihm dazu riet, den Brief einen Tag liegen lassen – und ihn am nächsten Tag nochmals durchzulesen, um dann zu entscheiden, ob er ihn wirklich abschicken wollte. Natürlich hat der den Brief am nächsten Tag weggeworfen, seine Wut war längst verraucht. „So reflektierte Gefangene, die sich selbst um Hilfe bemühen, sind selten. Ich muss viel mehr auf jene Gefangenen achten, die das nicht können“, erklärt Zippro weiter.
Oft sind es Gefangene mit Suchtproblemen, die unter Einsamkeit leiden
Die Sozialarbeiterin wird vom Gefängnispersonal auf diejenigen Gefangenen aufmerksam gemacht, die den Eindruck machen, als bräuchten sie ihre Hilfe. Auf die Insassen, die keine Angehörigen oder Freunde haben, die für sie da sind. In Gesprächen mit ihnen versucht sie herauszufinden, ob es vielleicht nicht doch irgendeinen Kontakt gibt, der wiederhergestellt werden kann. Dann greift sie auch selbst mal zum Telefonhörer und versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten.
Und wenn alle Bemühungen nichts nützen, dann versucht sie, einen ehrenamtlichen Betreuer zu finden. „Gerade Gefangene mit Suchtproblemen haben oft kein Netzwerk mehr, auf das sie zurückgreifen können, weil sich alle von ihnen abgewendet haben. Diese Gefangenen haben am meisten mit der Einsamkeit zu kämpfen.“ Genauso wie mit Entzugserscheinungen und psychischen Problemen. „Gefühlt sehe ich mehr als die Hälfte dieser Insassen mehrmals, weil sie es nicht schaffen, sich nach der Haft ein normales Leben aufzubauen, und dann doch wieder hier landen“, sagt sie.
Deshalb versucht sie, diese Insassen auf ihre Entlassung vorzubereiten, indem sie entweder nach Therapiemöglichkeiten oder nach einem Platz in einer stationären Einrichtung oder in einer Wohngemeinschaft des betreuten Wohnens sucht. „Es ist wichtig, die Menschen wieder vernünftig in die Gesellschaft einzugliedern. Und das fängt für mich schon damit an, dass, sobald die Haft vorbei ist, jemand da ist, der sie gleich am Tor empfängt“, sagt sie.