Corona stellt viele soziale Einrichtungen vor große Herausforderungen. Erkrankungen, die notwendigen Isolationen und häuslichen Quarantänen von Mitarbeitenden schaffen Situationen, die Auswirkungen auf die Menschen haben, um die sich die Mitarbeitenden kümmern. Das gilt auch für die Wohngruppen für Kinder und Jugendliche der Diakonie Düsseldorf. Hier wohnen mehrere Kinder und Jugendliche familienähnlich zusammen, immer begleitet von Pädagog*innen, die im Schichtmodell Tag und Nacht bei ihnen sind.
Personalausfälle haben ernste Konsequenzen
„Wenn wir Dienste überhaupt nicht besetzen können, hat das sofort sehr ernste Konsequenzen für die jungen Bewohnenden“, sagt Maria Löcken-Kunter, die zuständige Abteilungsleiterin bei der Diakonie. „Im schlimmsten Fall müssen wir die Gruppe auflösen, und die Kinder und Jugendlichen werden auf andere Wohngruppen verteilt“, erklärt sie. „Das bedeutet für die Kinder und Jugendlichen eine hohe emotionale Belastung, die wir unbedingt vermeiden wollen.“
Um das zu vermeiden, haben Maria Löcken-Kunter und Geschäftsbereichsleiterin Tanja Buck in einem Brief alle Mitarbeitenden des Geschäftsbereichs um ihre Unterstützung in Notfällen gebeten. Mit Erfolg: In kürzester Zeit haben sich acht Mitarbeitende aus anderen Arbeitsbereichen gemeldet und mit der Übernahme von Diensten die Auflösung von Wohngruppen vermieden. „Das war großartig und solidarisch“, sagt Maria Löcken-Kunter. Für sie zeigt sich in diesem Engagement die positive Grundhaltung der Menschen in der Diakonie und die hier gelebte besondere Kultur des Umgangs miteinander: „In einem solchen Fall zeigt sich, wer wir sind und für was wir stehen.“
Und wie haben die Helfenden in der Not die Situation erlebt?
Aijana Bruch, die sonst als Personal- und Organisationsentwicklerin im Geschäftsbereich Erziehung und Beratung der Diakonie arbeitet, und Stefan Pischke von der Evangelischen Beratungsstelle Flingern sind zwei der Freiwilligen. Sie erzählen im Interview von ihren Beweggründen und Erlebnissen:
Warum sind Sie für Notdienste eingesprungen?
Stefan Pischke: Für mich war die Hürde niedrig. Ich habe früher, im Rahmen einer Einzelfallhilfe, mal einen Jugendlichen aus einer Wohngruppe begleitet. Der Dienst jetzt war für mich eine Chance, nochmal intensiver in den Alltag und Kontext von Wohngruppen sowie Kindern und Jugendlichen einzutauchen.
Aijana Bruch: Ich bin erst seit November letzten Jahres bei der Diakonie und in meiner Arbeit als Personalentwicklerin auch zuständig für das Personal in den Wohngruppen. Der Einsatz hat mir ermöglicht, in Richtung der Mitarbeitenden dort zu zeigen: Ich sehe Euch und was Ihr leistet! Kurz zuvor hatte ich in der Wohngruppe, in der ich dann eingesetzt wurde, hospitiert. Ich kannte das Team. So war es für mich selbstverständlich, hier nach meinen Möglichkeiten zu helfen.
Was waren für die größten Herausforderungen dabei?
Aijana Bruch: Die Situation war etwas besonders für mich, denn ich kam in eine Wohngruppe von sieben Jugendlichen. Ich verbrachte mit ihnen den Abend und die Nacht, und in der Zeit war ich alleine die Ansprechperson für sie. Ich wusste nicht, wie sie reagieren würden. Am Ende haben sie mir einen riesigen Vertrauensvorschuss gegeben.
Stefan Pischke: Ich musste erstmal herausfinden, wie die Abläufe usw. geregelt sind. Ich habe dazu die Kompetenz der Gruppe genutzt – in der Hoffnung, dass irgendjemand dabei ist, der mir ehrlich sagt, wie etwas im Alltag sonst geregelt ist. Das hat sehr gut geklappt und in meiner Wahrnehmung auch dazu geführt, dass sich die Jugendlichen zusätzlich wertgeschätzt fühlten.
Welche neuen Erfahrungen waren damit verbunden?
Stefan Pischke: Ich bin kein Vater. Der Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen eröffnete mir einen neuen Einblick in ihre Lebenswirklichkeit. Was für Computerspiele spielen sie? Was für Bücher lesen sie? Was machen sie mit ihren Apps auf dem Smartphone? Ich habe bei mir in der Beratung oft Eltern, die nicht wissen, mit was sich ihre Kinder beschäftigen. In der Wohngruppe habe ich erlebt und erfragt, was sie machen, was das für sie bedeutet, was ihnen dabei begegnet und wie sie damit umgehen. Das ist ein riesiger Schatz für mich, auch in meinen Arbeitsalltag.
Aijana Bruch: Es ist für mich ein schönes Gefühl zu wissen, dass ich dazu beigetragen habe, dass die Jugendlichen ihr sicheres Lebensumfeld weiter behalten können. Man darf nicht vergessen, diese Kinder und Jugendlichen haben alle eine Vorgeschichte, die oft mit Beziehungsabbrüchen zu tun hat.
Würden Sie die gleiche Entscheidung wieder treffen und Kolleg*innen dazu raten?
Aijana Bruch: Ich würde das mir selbst jeder Zeit wieder ermöglichen wollen. Und ich würde jedem raten es zu machen, wenn die Umstände es zulassen. Es ist eine wunderschöne Erfahrung und man leistet einen wichtigen Beitrag für die Kinder und Jugendlichen.
Stefan Pischke: Ich kann es anderen nur empfehlen. Für mich war und ist es eine bereichernde Erfahrung. Ich fand es auch toll zu erleben, dass sich auf den Solidaritätsaufruf mehrere Kolleg*innen gemeldet haben. Da habe ich erlebt, dass Diakonie eben auch abteilungs- oder teamübergreifend unterstützt.
Wohngruppen – Ein sicherer Ort zum Großwerden
In den neun Wohngruppen der Diakonie Düsseldorf leben Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren gemeinsam mit Erzieher*innen und anderen pädagogischen Fachkräften. Sie sind neugierig, wie das Leben der Kinder und Jugendlichen in unseren Wohngruppen ist? Hier erfahren Sie es.
Sie können dazu beitragen, dass Kinder einen sicheren Ort zum Großwerden haben: Mit einer Patenschaft. Mehr dazu lesen Sie hier.