"Hier kann ich wirklich etwas bewirken"
Menschen mit Alkohol-, Medikamenten- oder Drogensucht bekommen seit bald 25 Jahren Hilfe durch die Tagesklinik für Suchtkranke der Diakonie. Fast ebenso lange mit dabei: George Neagu, seit 20 Jahren ärztlicher Leiter der Tagesklinik. Mehr als 1.000 Menschen hat George Neagu in dieser Zeit dabei unterstützt, ein neues Leben ohne Alkohol und Co. zu beginnen – und ist heute mit seinem Humor, seiner unorthodoxen Art und seinem tiefen Verständnis eine echte Institution in der Suchthilfe in Düsseldorf.
Ursprünglich wollte der 72-Jährige längst in den Ruhestand gehen, aber weil Not am Mann/an der Frau war, blieb er schließlich doch. „Ich konnte das Team doch nicht alleine lassen“, sagt er und lacht. Und überhaupt: Die Arbeit in der Tagesklinik bereite ihm Freude. Neagu betreut in der Regel 18 Rehabilitand*innen über einen Zeitraum von 12 bis 20 Wochen. Das bedeutet für ihn: Er kann sich viel Zeit für die Sorgen und Nöte der Menschen nehmen. Ein weiteres Plus: „Wer sich in einer Tagesklinik anmeldet, hat bereits die Entscheidung getroffen, von seiner Sucht loszukommen. Da kann ich wirklich etwas bewirken.“
Mehr als 1.000 Menschen hat der Arzt beim Start in ein suchtfreies Leben unterstützt
Besonders im Gedächtnis geblieben ist ihm der Fall einer Rehabilitandin, die aufgrund einer, durch die Alkoholsucht ausgelösten, Neuropathie im Rollstuhl saß. Diese habe ihn bei der Eignungsuntersuchung gefragt, ob sie jemals wieder gehen werde können. „Ja“, erwiderte Neagu. „Wenn Sie aufhören zu trinken.“ Zwei Jahre nach der Therapie habe ihn die Frau besucht – den Rollstuhl benötigte sie nicht mehr. „Für mich war das ein sehr besonderer Moment“, sagt er. Und doch längst kein Einzelfall: Rund 80 Prozent der Rehabilitand*innen beenden ihre Rehabilitation regulär.
Alkohol sei nach wie vor ein weit verbreitetes Suchtmittel, in der Tagesklinik stehe aber eher der Mischkonsum im Fokus. Das bedeutet: Häufig sind die Menschen nicht mehr nur von einem Suchtmittel abhängig, sondern von mehreren. „Am Wochenende putschen die Betroffenen sich mit Amphetaminen und Kokain hoch – und konsumieren dann sonntags Cannabis, um wieder herunterzukommen“, ist Neagus Beobachtung.
Und abends wieder nach Hause: Tagesklinik ermöglicht wonortnahe Therapie
Vor diesem Hintergrund sei auch das Konzept der Tagesklinik sinnvoll, das Menschen eine wohnortnahe Therapie ermöglicht. „Anders als bei einem stationären Klinikaufenthalt können die Patient*innen in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und das, was sie in der Therapie gelernt haben, direkt zu Hause umsetzen“, erläutert Geschäftsbereichsleiterin Anja Vennedey das Konzept.
Hinzu komme, dass viele Rehabilitand*innen in Arbeitsverhältnissen stehen. „Durch die Wohn- und die Arbeitsortnähe können wir auf Wunsch auch Kontakt zum Arbeitgeber aufnehmen und die Nachsorge übernehmen.“ Dass dieses Format heute fester Bestandteil des Suchthilfesystems in Düsseldorf und der Region ist, sei dabei auch dem ärztlichen Leiter George Neagu zu verdanken. „Er und sein Team haben das Format mit Leben gefüllt.“
Vennedey hofft nun, schnell eine*n geeignete*n Nachfolger*in für den 72-Jährigen zu finden: „Damit wir die hohe Qualität der Arbeit lange aufrechterhalten – und noch viele Menschen bei ihrem Weg aus der Sucht begleiten können.“