„Eltern sollten anerkennen, dass ihre Trennung auch für ihre Kinder eine Krise ist. Es ist wichtig deren Gefühle ernst zu nehmen und sie nicht schön zu reden“, sagt Erziehungs-Experte Dirk Morgner von der Evangelischen Beratungsstelle Düsseldorf. Kinder können eine Trennung in der Regel deutlich besser bewältigen, wenn die Eltern es schaffen, im Interesse der Kinder zusammenzuarbeiten und sich zu einigen. Dazu gehört vor allem, dass Eltern die Verantwortung für die Trennung übernehmen und dem Kind keine „Mitschuld“ gegeben wird. Im Interview gibt er Eltern Tipps, die sich wegen ihrer Trennung um ihre Kinder sorgen.
Woran erkenne ich, dass mein Kind unter meiner Trennung leidet?
Kinder zeigen ihre Trennungsbelastung auf vielfältige Weise. Dazu gehören zum Beispiel, dass sie in ein früheres kindliches Verhalten zurückfallen – wir sprechen fachsprachlich von Regression – und dass sie sich an einen Elternteil klammern. Oder sie wollen wieder im Bett der Eltern schlafen, zeigen weniger Selbständigkeit im Alltag und fordern die Eltern wieder mehr ein. Auch Einnässen und aggressives Sozialverhalten sind mögliche Reaktionen, genauso wie emotionaler Rückzug oder, dass sie kaum noch sprechen.
Es ist auch so, dass Kinder dem Elternteil, den sie als Verursacher*in der Trennung sehen, Vorwürfe machen können. Bei Geschwisterkindern beobachtet man, dass sie sich in der Loyalität zu den Eltern aufteilen und darüber in einen Geschwisterkonflikt geraten.
Worunter leiden Kinder am stärksten, wenn sich Eltern trennen?
Unter der Trennung! Kinder wünschen sich oft bis ins Erwachsenenalter, dass die Eltern wieder zusammenkommen. Beide Elternteile sind die primären Bindungspersonen für Kinder. Sie haben den Kindern als erste Sicherheit und Beziehungskontinuität gegeben Und der Streit der Eltern belastet die Kinder. Bei ihnen entstehen Loyalitätskonflikte.
Bei Trennungen wird sehr selten konstruktiv gestritten, und oft ist Streit auch ein Ausdruck der Probleme zwischen den Eltern. Kinder sollten keine Zeugen dieses elterlichen Streits werden. Auch, weil es unwahrscheinlich ist, dass es wieder zu einer Versöhnung kommen wird. Bei Kindern kann der Eindruck entstehen, Streit führe immer zur Trennung von Paaren. Außerdem kommen Kinder von Trennungspaaren als Streitzeugen vermehrt in einen Loyalitätskonflikt. Sie fühlen sich dazu gedrängt, zu einem der Elternteile halten zu müssen. Von daher gilt: Kein Streit vor den Kindern! Entweder streiten, wenn die Kinder nicht da sind, oder Mediation und Beratung aufsuchen.
Nach einer Trennung der Eltern brauchen Kinder die Zustimmung des jeweils anderen Elternteils, dass sie den oder die andere so lieb haben dürfen wie zuvor. Eltern sollten deshalb ihren Kindern vermitteln, dass es in Ordnung ist, wenn sie am Wochenende bei einem Elternteil sind und der andere nicht unter ihrer Abwesenheit leidet. Und dass beide Elternteile sich gegenseitig in ihrem Elternsein Vertrauen schenken. Das positive innere Bild, das Kinder von ihren Eltern haben, muss erhalten bleiben. Nur dann können sich Kinder uneingeschränkt mit beiden Elternteilen verbinden.
Zeige ich meinem Kind meine Traurigkeit und Verletztheit?
Es ist völlig in Ordnung, dass Eltern ihre Trauer über eine Trennung gegenüber ihren Kindern offen zeigen. Wichtig ist, dass sie darauf achten, dass sie ihre Kinder damit nicht überfordern. Die Trennung darf kein Tabuthema sein und sie sollten Kinder durchaus auch dazu ermutigen, mit ihren Freunden darüber zu sprechen. Das hilft ihnen, das Erlebte zu verarbeiten.
Was mache ich, wenn mein Kind unter meiner Trennung leidet?
Raum für Nähe, Zuhören, aber auch gemeinsame Erlebnisse sind ganz wichtig. Pädagogen sprechen dabei von „Qualitätszeit“. Auch ist die kreative Verarbeitung des Erlebten für Kinder wichtig. Ich ermuntere Eltern dazu, dass sie Wege finden, damit ihre Kinder ihre Gefühle auch ohne Worte ausdrücken können. Das kann zum Beispiel das gemeinsame Malen eines Trennungsbildes sein oder ein Spiel mit Figuren, ohne das Thema vorzugeben.
Wie offen spreche ich mit meinem Kind über die Hintergründe meiner Trennung?
Eltern sollten mit den Hintergründen einer Trennung durchaus offen umgehen, aber immer dem Entwicklungsstand der Kinder angepasst. Einem Kindergartenkind sollten sie deutlich weniger über Motive erzählen als einem pubertierenden Teenager, der die Spannungen zwischen den Eltern schon viel realer erfassen und nachvollziehen kann. Hier geht es vor allem um Transparenz und Mitsprache über die mittelfristige Zukunft: das Umgangsmodell, das Eltern und Kinder für sinnvoll halten, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder möglichst erhalten bleibt, die Freunde und die Freizeitangebote weiter gut erreichbar sind, das soziale Netz Bestand hat.
Worüber sollte ich bei meiner Trennung mit meinem Kind sprechen?
Ein ganz entscheidender Punkt für die Stabilisierung von Kindern ist, dass die Eltern betonen, was alles bleibt! Also die Beziehung zu guten Freunden, Schule und Kita, der Sportverein oder die Klavierstunde, vor allem der regelmäßige, verbindliche Umgangskontakt zu beiden Eltern. Es ist wichtig, dass ausziehende Elternteile frühzeitig ihre neue Wohnung zeigen und die Kinder bei der Einrichtung – zum Beispiel ihrer Zimmer - mitgestalten können. Und dass die Eltern sich rechtzeitig auf ein Umgangsmodell einigen, das für sie praktikabel ist, aber auch die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigt. Das alles fördert Vertrauen in elterliches Handeln und die Selbstwirksamkeit von Kindern.
Was tue ich, wenn der andere Elternteil mein Kind manipuliert?
Wenn manipulatives Verhalten eines Elternteils zur Methode wird, wird es schwierig. Je jünger Kinder sind, desto abhängiger fühlen sie sich von ihren Eltern und sind daher beeinflussbar. Das müssen die Erwachsenen besprechen, welchen Schaden manipulative Vereinnahmung für die weitere Entwicklung des Kindes bedeutet. Ich rate hier dringend zu einer Mediation oder Trennungs- und Scheidungsberatung. Sollte es hier zu keiner Lösung kommen, ist es nötig, das Familiengericht einzubeziehen, um Sorgerecht und Umgangskontakte im Sinne des Kindeswohls zu regeln.
Wie erkläre ich meinem Kind, dass ich glaube, dass der andere Elternteil es manipuliert?
Das ist eine der größten Herausforderungen, vor denen Eltern stehen. Der erste Impuls angesichts von falschen Vorwürfen, ist sich zu rechtfertigen, die eigene Sicht der „Wirklichkeit“ zu vermitteln, deutlich zu machen, dass es nicht so ist, wie der andere Elternteil es darstellen will. Damit tappt man aber in die Falle des Paarkonflikts, in den das Kind dann einbezogen wird. Das belastet Kinder schwer mit einem unlösbaren Loyalitätskonflikt. Denn sie müssen innerlich entscheiden, welcher Elternteil „Recht“ hat und damit den anderen Elternteil verleugnen.
Was mache ich, wenn wenn mein Kind falsche Behauptungen über mich wiederholt?
Es ist ein Vertrauensbeweis, wenn Kinder sowas dem betroffenen Elternteil gegenüber äußern. Ich kann nur dazu raten zu vermeiden, die Aussagen des anderen Elternteils als falsch oder „Lüge“ darzustellen. Stattdessen plädiere ich dafür, das Kind immer wieder auf seine eigene Wahrnehmung zu verweisen. Je älter Kinder sind, desto besser gelingt das. Fragen Sie ihr Kind in so einem Fall „Papa/Mama sagt das über mich? Wie erlebst Du das? Kannst Du mir Beispiele nennen? Womit bist Du denn unzufrieden?“
Man kann mit dem Kind auch auf seine eigene Lebenswelt schauen: „Du streitest doch auch mal mit Deinen Freunden und ihr seht etwas ganz unterschiedlich. So ist das zwischen Mama und Papa auch.“ Das verdeutlicht dem Kind, dass es unterschiedliche Perspektiven auf dieselbe Sache geben kann. Und es gibt keinen Grund jemanden abzuwerten oder schlecht zu machen, weil er Dinge anders sieht.
Wie gehe ich gegenüber meinem Kind damit um, wenn ich eine*n neue*n Partner*in habe?
Man braucht eine*n neue*n Partner*in nicht zu verstecken, auch wenn man selbst noch nicht sicher ist, ob diese Beziehung von Dauer ist. Aber es sollte auch nicht voreilig eine intensive Beziehung zwischen neue*r Partner*in und Kind aufgebaut werden. Ein Abbruch der Beziehung kann bei dem Kind wieder ein Gefühl auslösen, dass die meisten Kinder bei der Trennung der Eltern schmerzhaft durchleben, nämlich, dass sie es nicht wert sind, geliebt zu werden.
Wie Kinder auf eine neue Partnerschaft reagieren, hängt u. a. von folgenden Faktoren ab:
1. Je mehr das Kind bis dahin das Gefühl hatte, es gibt nichts und niemanden außer ihm, desto schwerer wird es ihm fallen, den Elternteil mit jemandem zu „teilen“. Ein Kind, das bis dahin jede Nacht im Bett des Elternteils geschlafen hat, wird seinen Platz nicht konfliktfrei räumen.
2. Dem Alter des Kindes: Kleine Kinder sind anpassungsfähiger und abhängiger als ältere Jugendliche, die manchmal dazu tendieren, zum anderen Elternteil zu gehen, wenn ein*e Neue*r kommt.
3. Der Beziehungsqualität, die sich mit der/dem neue*n Partner*in entwickelt. Ist sie oder er zugewandt und liebevoll, wird es leichter sein, langfristig die Akzeptanz des Kindes zu gewinnen.
Leibliche Eltern sollten sich in einer neuen Beziehung kontinuierlich alleine Zeit für Einzelkontakte mit ihren Kindern nehmen. Sie zeigen so ihre Liebe und Zuwendung. Das hilft Kindern, mögliche Verlustängste und Eifersucht bezüglich des oder der neuen Partner*in abzubauen. Genauso wichtig ist, dass die Kontakte zum anderen Elternteil erhalten bleiben und die oder der neue Partner*in nicht versucht, eine „Ersatzelternrolle“ zu übernehmen. Kinder können sonst in einen Konflikt geraten, sich für den einen oder die andere entscheiden zu müssen. Je weniger Kinder das Gefühl bekommen, etwas zu verlieren, und je mehr sie die Erfahrung machen, einen interessanten Menschen für sich gewonnen zu haben, desto mehr werden sie eine*n neue*n Partner*in emotional annehmen.
Wer hilft mir bei der Trennung mit Kind?
Eltern sollten in und nach der Trennung unbedingt eine gute Psychohygiene betreiben. Dazu können sie sich Freund*innen anvertrauen, sich Freizeitangebote suchen und eigene Ressourcen (wieder)entdecken. Aber auch professionelle Beratung oder eine Psychotherapie sind wichtige Wege, um den eigenen Trennungsschmerz, die Wut auf den Partner etc. zu verarbeiten. Die Diakonie Düsseldorf hat hierzu Angebote bei den Evangelischen Beratungsstellen, die auch besondere Kurse für Eltern in Trennung und Trennungs-Kinder anbieten.
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